5 Fragen an Thomas Koch

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1. Was sind aktuell Ihre wichtigsten Projekte?

Zweifellos – neben dem guten Dutzend anderer, die mich stets in bester Laune halten – der Wahlkampf für die SPD. Im Team von brinkertlück creatives bin ich für die Mediastrategie verantwortlich. Und es ist die wohl größte, kommunikative Herausforderung des Jahres. In vier Monaten wissen wir, ob es uns gelang, die Aufgabe zu meistern. Erwähnenswert ist ein Projekt, das ich zusammen mit einem Schweizer Kollegen initiiert habe: #StopFundingHate. Seit Februar identifizieren wir Werbung deutscher Unternehmen, die auf Hate und Fakes News-Websites wie Breitbart oder Epochtimes ausgeliefert wird und somit fragwürdige, weil rechtsextreme und fremdenfeindliche Publisher finanziert. Die öffentliche Resonanz ist groß. Was wir uns wünschen, ist mehr Haltung seitens der Unternehmen selbst. Denn bislang haben lediglich ein knappes Drittel der Unternehmen eingegriffen und ihre Werbung auf diesen Seiten gestoppt. Wir setzen die Kampagne daher unbeirrt fort.

2. Wo sehen Sie sich beim (digitalen) Transformationsprozess und wer soll am meisten davon profitieren?

Dieser Prozess dauert nun schon zwei Jahrzehnte an und wird uns auch die nächsten zwei Jahrzehnte begleiten, also niemals wirklich aufhören. Das haben Prozesse so an sich. Was sich jedoch bereits heute zeigt, ist dass er mehr Probleme als Lösungen erzeugte. Das Internet wollte den Zugang zu Wissen und Information demokratisieren, nun spalten soziale Netzwerke unsere Gesellschaft. Prekäre Arbeitsbedingungen werden nicht bekämpft, sondern ausgeweitet. Es hat aus Menschen digitale Datenstränge gemacht; Konsumenten, die bespitzelt und verfolgt werden; gläserne Bürger, die manipuliert werden. Davon profitieren in erster Linie die drei Monopolisten Google, Facebook und Amazon und machten ihre Gründer zu Milliardären. Damit auch die übrigen acht Milliarden Menschen auf unserem Planeten davon profitieren, müssen neue Regeln für die digitale Gesellschaft geschaffen werden. Das ist eine der größten Aufgaben der nächsten Jahre. Persönlich fühlt sich der Baby-Boomer in mir bestens „transformiert“.

3. Wie erleben Sie Ihren Arbeitstag in Bezug auf Arbeiten und Distanz?

Ich blicke auf viele Jahre als freiberuflicher Berater zurück, so dass für mich die Umstellung auf Homeoffice keine war. Meine vor vier Jahren gegründete Agentur „The DOOH Consultancy“ ist allerdings büromäßig seit mehr als einem Jahr verwaist. Dennoch funktioniert das Geschäft bestens. Neukunden, neue Geschäftsanbahnungen, Präsentationen – alles gelingt auch ohne Präsenz. Vorher hätte das niemald für möglich gehalten. Wir müssen jedoch eingestehen, dass wir mit einem Job privilegiert sind, der sich so einfach auf Homeoffice umstellen ließ. Umso mehr steigt der Respekt vor Menschen, die während der Pandemie schier Unmenschliches für die Gesellschaft leisten. Zu ihnen zählen wir definitiv nicht.

4. Krise als/ohne Chance: Wo sehen Sie derzeit die größten Herausforderungen?

Jede Krise ist eine Chance. Sie entführt uns aus unserer Komfortzone. Wir haben im vergangenen Jahr viel diskutiert über die Balance zwischen Wirtschaftsleben und Menschenleben. Die Frage ist wohl beantwortet: Wir müssen in Zukunft den Menschen einen höheren Stellenwert einräumen. Mehr Respekt vor sozialer und systemrelevanter Arbeit, weniger Respekt vor der Gier des Kapitalismus. Unsere Gesellschaft wird sich in den nächsten Jahren verändern müssen – zugunsten der Menschen, die darin leben. Meine Vorfreude darauf ist groß. Auch wenn es bedeutet, dass wir weniger Fleisch essen, weniger T-Shirt-Müll bei Primark kaufen und viele nicht mehr dreimal im Jahr nach Mallorca oder Antalya fliegen können. Die Welt wird dadurch eine bessere.

5. Wie gehen Sie persönlich mit der Pandemie um?

Ich erlebe sie als ungewohntes Wechselbad der Gefühle. Die Freude über das vorläufige Ende langer und anstrengender Geschäftstage und Reisen mit Flug, Auto und Bahn für einstündige Meetings in der Ferne wechseln sich ab mit Nachrichten von erkrankten Freunden und Geschäftskollegen. Natürlich auch mit der Angst, selbst angesteckt zu werden. Das lässt niemanden kalt. Ich wundere mich gleichzeitig über Menschen, denen die Geduld und innere Ruhe fehlt, auf etwas wie Restaurantbesuche und Urlaub verzichten zu können. Mich haben die letzten Monate demütiger gemacht – und dankbar: dankbar, für das Privileg in Wohlstand und in Deutschland zu leben. Die Pandemie bereitet uns vor auf die nächste Krise, die bereits im Anmarsch ist: die Auswirkungen der Klimakrise, die unsere Gesellschaft in Mark und Bein zu erschüttern droht. Ich bin darauf innerlich vorbereitet.