KI im Recruiting?
Eine Bestandsaufnahme

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Wie verändert KI das Recruiting? Die Idee, das Thema aufzugreifen, hatte ich nach dem Briefing zu einer CTO-Stelle eines KI-Beratungsunternehmens. Auf der Messe Zukunft Personal 2023 habe ich gezielt nach aktuellen Erfolgsstories gesucht. Und wurde enttäuscht. Viele versuchen den KI-Trend zu monetarisieren. Da wird vor allem Beratung verkauft, keine Lösungen. Oft sind es kleine Automatisierungen von Teilprozessen wie z.B. schneller bessere Stellenanzeigen oder andere Texte zu schreiben. Es geht meist um Onlinemarketing, Traffic, Performance. Die Hilfe besteht darin, KI-Technik Anwendern zugänglich zu machen.

Als „mächtig“ gilt alles, was sich auf „Large Language Models“ stützt. Die große Angst der oft noch neuen Anbieter ist deshalb, dass die Big Player wie Google Bard, Meta, ChatGPT ihre Angebote mit leicht verständlichen Nutzeroberflächen kostenlos zur Verfügung stellen.Einige Anbieter setzen daher auf Lösungen, die einen abgegrenzten, nicht-öffentlichen Datenpool nutzen, um Firmen Sicherheit zu geben, dass interne Daten bei der Anwendung von KI nicht öffentlich werden. Ein durchaus relevantes Bedürfnis, das nur je nach Fragestellung möglicherweise die Wirksamkeit der Lösung beschränkt. In einer Podiumsdiskussion auf der ZP23 wurde gesagt, dass es „nichts bringt, KI auf alte historische Prozesse anzuwenden, um mehr zu automatisieren. Man muss das alles neu denken.“ Das klingt im Ansatz anspruchsvoll und gut. Noch ist da aber nicht viel disruptives zu erkennen.

KI ist ja im Grunde nichts anderes als Muster-Analyse auf großen Daten. Sie liefert „das beste von Menschen erwartbare Ergebnis“ – ohne selbst irgendwie den Sinn beurteilen zu können. Insofern kann man sich den Output als Anregung zunutze machen. Die Ergebnisse 1:1 ungeprüft zu übernehmen bleibt ein hohes Risiko.

Es ist leicht, sich bei der Texterstellung für Stellenanzeigen, Ansprachetexte helfen zu lassen. Der Anwender bleibt verantwortlich und muss prüfen, ob Qualität, Authentizität, Relevanz der Ansprache gegeben sind. Erzeugt die Ansprache Vertrauen, Verständnis, Empathie für die Kandidaten?

Die großen Profildatenbanken XING und LinkedIn werden ihre Ökosysteme verschlossen halten für die Auswertung ihrer Daten von außen. Beide Anbieter experimentieren natürlich im Hintergrund mit KI, manchmal erkennt man das als Nutzer. („Leider passt die Stelle nicht für …“) Glauben Sie mir, die aktuellen Ergebnisse sind qualitativ nicht verlässlich und ich habe große Sorge, dass aufgrund von KI-Gläubigkeit diese Anbieter meine Entscheidungen und Möglichkeiten in der individuellen Ansprache eingeschränken, weil sie glauben, dass ihre KI es besser weiß.
Wer KI einsetzt muss extrem (selbst)kritisch mit der Qualität des Outputs für die Kunden umgehen. Wenn der USP der KI nicht deutlich sichtbar ist und überzeugt, riskiert man, Kunden zu verlieren.

Ein „Problem“ von KI ist, dass sie, weil sie maschinenerzeugt ist, beliebig skalierbar ist und damit an unglaublich vielen Stellen eingesetzt werden kann.

Weil die Rechenleistung immer stärker wird und KI-Modelle immer leichter modellierbar werden und weil viele hoffen, unternehmerisch daraus Gewinn zu ziehen, werden einfach viele Möglichkeiten ausprobiert. Einiges wird schnell verschwinden. Anderes wird sich durchsetzen. Noch sind die meisten Systeme vielleicht nicht ausgereift. Mittelfristig wird KI ganz sicher unser Leben und Arbeiten verändern.

Es wird relevant sein, zu erkennen, ob das, was da mit einem kommuniziert, ein Mensch ist oder eine Maschine. Und ob die vermittelte Botschaft echt und relevant ist.

Wenn im Recruitingprozess bei der Kandidatenauswahl Maschinen eingesetzt werden, um Kandidaten zu interviewen, dann muss der Job so interessant sein und der Wettbewerb unter den Bewerbern so groß, dass diese sich darauf einlassen. Es wird immer Arbeit geben, wo man nicht mit Maschinen reden muss, sondern wo Menschen sich für einen interessieren. Man hat die Wahl.

Nach all meinen Erfahrungen finden mechanistische Bewertungsschemata keine Akzeptanz. In freien, menschlichen Gemeinschaften werden es immer Menschen sein, die entscheiden, ob ein Kandidat in die Gemeinschaft passt und die Gemeinschaft stärkt.

In der Zwischenzeit kann es anregend sein, sich durch ChatGPT und Co einfach ein paar frische Gedanken zu holen.

Warum nicht ChatGPT als Sparringpartner benutzen, um Anregungen zu bekommen, was beste Kandidaten für eine Aufgabe auszeichnet, welche Erfahrungen für eine Aufgabe relevant sein können, welche Arbeitgeber im relevanten Gebiet besonders erfolgreich waren etc. Das ist nichts anderes als Recherche mit erweiterten Mitteln. Die Entscheidung, welchen Input ich dann in meiner Arbeit nutze, werde ich selber treffen.

Bis KI also in großem Maßstab das Recruiting verändert, wird es nach meiner Einschätzung noch dauern. Bis dahin können Unternehmen sich sinnvoll mit anderem beschäftigen: Ihre Unternehmenskultur entwickeln, agiler werden und ihr Business Modell „on the edge“ halten. Das ist mit hoher Wahrscheinlichkeit der sicherere Weg, auch zukünftig gute Talente als Mitarbeiter zu gewinnen.